unplugged.at:   text #81 / martin krusche / reportagen

(Politik, Österreich, Steiermark, Bezirk Weiz, Gleisdorf)

• Reportage: Hans Christian Strache in Gleisdorf
Von Martin Krusche

Er hat unbestreitbar Charisma, wirkt unverbraucht und ist einer der härtesten Fighter in diesem Wahlkampf. H.C. Strache versprüht Goldgräberstimmung und setzt auf einfache Erklärungmuster für eine komplizierte Welt.

Zur Globalisierung meint er etwa: „Der Markt an sich ist dumm. Er ist die Geißel der Menschheit, wenn er keine Grenzen aufgezeigt bekommt. Freiheit braucht Grenzen.“ Christliche Tradition, die er betont, meint ohnehin nicht die Freiheit von Pflichten, sondern die Freiheit der Entscheidung und das Tragen der Konsequenzen.

txt81a_strache.jpg (28578 Byte)

„Wirtschaftliche und politische Prozesse sind nicht gottgegeben.“ Dazu paßt dann: „Wir sind eine linke Bewegung. Und revolutionär.“ Man staunt. Und begreift durch Nachfragen, damit meint der FP-Boss: „links“ von Kaiser Franz Josef, befeuert von der 1848er-Revolution. (Die der Monarch durch einen kroatischen Adeligen hatte ruckzuck abschaffen lassen.)

Ideengeschichte stützt sich oft auf lange Wurzeln, die FPÖ eigentlich sehr kurze. Sie entstand in der Zweiten Republik aus dem VdU („Verband der Unabhängigen“). Das ist eine Interessensgemeinschaft von Menschen gewesen, die als Nazi dingfest gemacht worden waren und daher einige Jahre am politischen Leben des Landes nicht teilnehmen durften.

Beim Thema „Pflegenotstand“ zeigt Strache die Tendenz zum „Realpolitiker“. Er ließ zwar in Gleisdorf plakatieren: „Sozialstaat statt Zuwanderung“, begreift aber, daß dieser Sozialstaat in einer Krise wäre, wenn etwa die rund 40.000 illegalen und unterbezahlten Pflegeprofis morgen aus dem Land geschmissen würden.

Strache hat großen Mißfallen am EU-Europa. Er betont, das Beispiel Vereinigte Staaten von Amerika sei „kein vorbildliches Konzept“ für uns. Österreich solle sich überhaupt mehr abgrenzen. Zu manchen von Straches Vorschlägen fragt man sich freilich, mit welcher Rechtsgrundlage er das wohl gerne durchsetzen würde. Etwa daß „bei uns keine Moscheen gebaut werden dürften“, bis „man sich dort zu öffnen beginnt und Freiheit zuläßt.“ Wo „dort“? Im Ausland.

Nun hatte schon „unser Kaiser“ muslimische Untertanen und der Islam ist heute eine staatlich anerkannte Religionsgemeinschaft in einem Land, das seinen Bürgerinnen und Bürgern per Verfassung Religionsfreiheit einräumt. Das sind also sehr anfechtbare Töne des FP-Vorsitzenden.

Strache meint, unser Sozialsystem werde zusammenbrechen, weil uns die Zuwanderer zu viel Geld kosten würden. Um uns dann letztlich zu islamisieren. Die kommen also alle zu uns, weil es im Ausland so unerträglich sei? Und wollen Österreich dann so verändern, daß es wie die Länder ist, aus denen sie geflohen sind? Das ist etwas schwierig zu verstehen. Strache sagt auch: „Niemand hat was gegen Ausländer.“

txt81b_strache.jpg (34816 Byte)

Er vermutet, daß in wenigen Jahrzehnten unter den Jugendlichen Österreichs (bis 14 Jahre) jeder zweite ein Moslem sein werde. Was der Islam in den letzten rund eineinhalb Jahrtausenden nicht erreicht hat. Warum soll es also jetzt geschehen? Ein Rätsel! Unsere historische Erfahrung besagt, dieses Österreich hat seinerzeit schon die Protestanten fast zur Gänze abgeschafft. Da ist also eine beharrende Neigung zum Römisch-Katholischen. Wir wissen auch sehr wenig von der Orthodoxie, die unser allernächster Bezugspunkt in der Ökumene wäre. Wie sollte demnach „der Islam“ schaffen, was Strache befürchtet? Wir werden sehn ...

Doch selbst in der Frage nach China, das längst begonnen hat, die Welt zu verändern, von dem immer mehr Kommentare besagen, es werde wohl bis 2050 die USA als führende Weltmacht ablösen, selbst zum Thema China ist man mit Strache nach etwa sieben Sätzen gleich wieder bei den Muslimen. Kulturell gibt er diesem Europa lieber enge Grenzen, weist fast alles hinaus, was unsere Antike im Kern ausgemacht hat.

Straches Pivatversion eines historisch gewachsenes Europas ist demnach hauptsächlich das der Vandalen und der Wikinger. Die waren zwar kühne Reisende und furchterregende Krieger. Aber sie haben uns kulturell nicht gar so viel hinterlassen. Zumindest was für Staatsbildungen vonnöten ist. Vor allem unterschlägt Strache, was gebildete Menschen für gewöhnlich wissen, wenn sie die Historie bemühen. Muslime haben über Jahrhunderte zwar Länder erobert, aber die vorgefundenen Kulturen nicht zerstört; was christliche Soldaten und deren Herren sehr wohl mit Ausdauer taten.

Mit Straches FPÖ und Peter Westenthalers BZÖ hat Österreich zwei legitime Parteien, die am Rassismus geschult sind, die nationalistische Töne Anschlagen, wie sie vor rund hundert Jahren modern waren ... um Wege nach Auschwitz und Srebrenica zu weisen.

(Sie dazu: Skizzen / Europa hat eine lange Geschichte)

[Andere Reportagen]
[Martin Krusche: Home] [Kulturelles Terrain: www.kultur.at] [powered by T.U.B]


[core] [kontakt] [reset] [home]
40•06