Martin Krusche

"Leiblichkeit und virtuelle Räume"


Erzählen im Web
(Aktuelle Medienkompetenz)

Daß man die Werkzeuge einigermaßen beherrscht, ist nur eine erste Basis. Seit rund zehn Jahren ist Österreich in das Internet eingebunden. In den nächsten Jahren wird sich die Bedeutung dieser Neuerung erheblich wandeln. Was brauchen Menschen, um das Kommende sinnvoll nutzen zu können?

Der österreichische Volksschullehrplan sieht die ersten beiden Jahre für das Erlernen des Alphabets vor. Die ersten vier Jahre des Schulbesuches sind dem Erwerb grundlegender Kulturtechniken gewidmet. Lesen und Rechnen gelingt nach dieser Zeit gewöhnlich, Denk- und Ausdrucksvermögen sind mit unseren gängigen Codesystemen generell vertraut gemacht.

Von 17- bis 20jährigen Menschen mit entsprechendem Bildungsweg stellt man sich gerne vor, sie hätten ausreichende intellektuelle Neugier entwickelt und ästhetische Erfahrungen gemacht, daß sie komplexen Zusammenhängen und deren Vermittlung gewachsen sind; daß sie Geschmack und Vergnügen an anspruchsvolleren künstlerischen Werken finden; daß sie zunehmend in der Lagen seien, aktiv zu einem anregenden kulturellen Klima beizutragen.

Es ist demnach von Lern- und Erfahrungsprozessen über einen Zeitraum von rund einem Jahrzehnt und mehr die Rede. Wer sich inzwischen Zugang zur neuen Mediensituation verschafft hat, Computer benützt, sich im Internet umtut, muß in der Frage von Medienkompetenzen nicht dort beginnen, wo ein Kind in der Volksschule auf den Weg geht. Aber! Die grundelegende Vertrautheit mit den Werkzeugen, Anwedungen on Software, das Kommunizieren via Email, die Verwendungs von Suchmaschinen, das Surfen im Web, der Aufenthalt in Chatrooms, all das ist noch nicht gleichbedeutend mit jener kulturellen Kompetenz, von der hier die Rede sein soll.

Ich meine Medienkompetenzen, um eine neue Art des Erzählens verstehen und lesen zu können. Wobei die angebotenen Stoffe gleichermaßen Text und Raum sind. Das ist doch etwas komplexer, als die allgemeine Nutzung des Webs, wie sie den meisten Menschen vertraut erscheint. Aber warum sollte jemand wesentlch mehr als das können?

Rechnen Sie auf jeden Fall damit, daß die heutige Mediensituation unseren Alltag noch stärker durchdringt, unsere Kommunikationssituationen noch grundlegender verändert. Beginnen Sie nicht erst in Jahren, sich darauf einzustellen. Es geht hier um einige neue Bildungsinhalte, derer man sich schon jetzt annehmen kann. Medienkompetenzen, um mit Hypertext zurechtzukommen.

Medienkompetenzen, um das Web, um die junge “Info-Sphäre” als zusätzlichen, als neuen Raum zu begreifen, der entwickelt, gestaltet und belebt werden kann.

Medienkompetenzen, um mit der wachsenden Konvergenz der Medien vertraut zu werden, um das Wechselspiel zwischen virtuellen und aktuellen Realitäten zu bewältigen, um besser zu begreifen, wie sich das alles auf unsere gewohnten Vorstellungen von menschlicher Gemeinschaft auswirkt. Das sind keine Themen, die bloß Spezialisten vorbehalten sein werden. Wer immer in unserer Gesellschaft wesentliche Prozesse mitgestalten will, wird sich damit befassen müssen.

Von diesen Anforderungen handelt weder das ECDL-Paket, noch übliche Bildungsangebote zur EDV. Für diesen Weg zu zeitgemäßer kultureller Kompetenz werden Sie momentan in keinen herkömmlichen Bildungseinrichtungen angemessene Kurse finden.

Aber in der “Netzkulturszene”, in den Bereichen der “art under net conditions” (Kunst unter Bedingungen der Vernetzung) werden seit vielen Jahren solche Kompetenzen erarbeitet.

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