Beitrag #6
Sixth Annual Conference on Austrian Literature and Culture

Zunehmende Festmasse
Von Klaus Zeyringer


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Seit einiger Zeit findet sich der Umsatz des österreichischen Gastgewerbes von einer Klassentreffen-Industrie gehoben, die dem Wir-sind-wir-Vorbild des Kameradschaftsbundes eine zivile Variante zur Seite stellt: Man läßt eine Vergangenheit hochleben, allein weil sie Vergangenheit ist und gemeinsames Marschieren oder Stillsitzen sentimentalisch stilisiert. Zugleich nehmen Geburtstagsfeten von Vierzigjährigen den Umfang von Bauernhochzeiten an, leisten sich Betriebe ihre Jubelchöre auf Hochglanz, drängen allerorten "Seitenblicke" in den Mittelpunkt; und daß der Festschrift für einen Ministerialen 800 000 Schilling zugedacht sind, soll auch in Sparpaket-Zeiten vorgekommen sein. Dieses auffallende Abfeiern dient offenbar der Selbstvergewisserung einer reichen Gesellschaft, die vorführt, daß sie sich was leisten kann, und dabei einen neobarocken Repräsentations-Wettbewerb in Gang gesetzt hat. Wenn rundherum die große Welt ihre tägliche Menge an Grauslichkeiten und Verunsicherungen ins Haus liefert, aber auch ihre Glamour-Blitzlichter und die Attraktionen des Voyeurismus, dann erscheint es naturgemäß erstrebenswert und zudem günstig zur Stärkung des Gruppengefühls, wenigstens kurzzeitig die Starmania im Kleinen als risikoloses Schulterklopfen und Bauchpinseln zu reproduzieren. Was wäre schöner, als glänzend im Mittelpunkt zu stehen, ohne sich der Gefahr kritischer Betrachtung aussetzen zu müssen?

Die mediale Unterhaltungsgesellschaft erfuhr in Österreich eine weltmeisterliche Konzentration des Boulevardgeplärres. Dieses hat sich etwa zum Anlaß der Dichand-Staberl-Geburtstage selbst die Krone aufgesetzt, von netten Bildberichten und vorsichtigen Würdigungen andernorts begleitet. Es erschienen wenige kritische Reflexionen über die Verhältnisse und Formen, denen hier mit diesen Jubilaren gehuldigt wurde, kaum Gedanken darüber, daß ja eben solche Festmassen und Zeremonien kurzzeitige Imitationen einer höfischen Gesellschaft sind. Ein Umwegfeudalismus und eine Renaissance des Bonzentums, wo sich die Auszeichnenden fortwährend selbst auszeichnen, bemächtigen sich auch jener Künstlerfeiern, denen die Bundesregierenden und Landeshauptleute die Ehre ihrer Anwesenheit angedeihen lassen - es ist allemal ungefährlicher und dem eigenen Ego zuträglicher, eine Festmasse via Partyservice zu subventionieren als eine künstlerische Produktion zu unterstützen. Was haben diese Herrschaften nicht alles über Thomas Bernhard gesagt! Und nun tritt zu gemeinsamen Ehren im Landestheater Gmunden der oberste oberösterreichische Politiker selbst auf: Nach dem Tod wird der Dichter zum Standortfaktor und zum Monument. Einen Vorgeschmack aufs Denkmal kann er sich zu Lebzeiten bei Hoffesten holen.

Die Hochkonjunktur der Selbstinszenierungen macht in der Spaß- und Eventkultur vor den Meistern des Geistes keineswegs halt. Und so tut ein kluger Mensch, eingedenk der eigenen Bedeutung, gut daran, die von ihm herausgegebenen Zeitschriftennummern, die Betriebsjubiläen der von ihm geleiteten Institutionen, die Verleihungen des Professorentitels, der Ehrendoktorate und Literaturpreise mit seinen runden Geburtstagen abzustimmen: ...

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