| Textiltheater Das
    Textiltheater stellt verschiedene gesellschaftliche und mediale Bereiche dar, indem es
    ihre Sprache auf Kleidungsstücken zitiert. Dadurch, daß die Sätze von Interessierten gleichsam angezogen und getragen werden
    können, werden sie der Welt, der sie entnommen sind, zurückgegeben. So wird diese,
    könnte man sagen, durch sich selbst angeregt. Begonnen wird mit der Politik, folgen
    sollen die Welt des Sports, der Kommunikationsmedien, der Wirtschaft, des Pop, des Films,
    der politischen Geschichte, der Redewendungen, der Philosophie, der Wissenschaft, der
    Literatur, der Bildenden Kunst, der Musik, des Militärs, der Arbeit, der Werbung
 Das Textiltheater beschränkt sich natürlich nicht auf die zitierenden Textilien, sondern
    umfaßt alles, was durch deren Präsenz ausgelöst wird. Es fügt sich in eine Reihe
    meiner Konzepte, die sich mit Images und der Berechtigung zu deren Produktion
    beschäftigen. Außerdem bedient es sich des Mittels des Medien- und Kontextwechsels, das
    die Wahrnehmung von etwas allein dadurch verändert, daß es in einen anderen Rahmen
    gestellt wird.
 Die Herrschaft über den Kontext scheint mir eines der wesentlichen Momente der Herrschaft
    über Images und Inhalte zu sein. Isolierung bedeutet ein Loslösen vom Diktat der
    vorgegebenen Bedeutung und eröffnet den Blick auf tieferliegende Inhalte. Auch Analyse
    macht ja nichts anderes, als zu zerlegen und neu zu interpretieren.
 Im Textiltheater werden die Sätze sozusagen in präanalytischer Form dargeboten. Die
    Interpretation wird der Kultur, der sie entstammen, selbst überlassen. Sie werden als
    nichts anderes denn als Sprache präsentiert und funktionieren so als Formel, als
    Verdichtung, als Chiffre, als Ausdruck. Und Sprache kann letztlich, wie Laurence Sterne
    sinngemäß vom Menschen sagt, dem Sehenden (oder sagt er: Wissenden?) nichts verbergen.
    Der eine sieht bzw. weiß dies, der andere das. Gerade darauf ist das Textiltheater
    aufgebaut. Alle zusammen sehen damit viel mehr. Aber niemand hat auf dieses Sehen aller
    Zugriff. Und trotzdem ist es vorhanden. Das Textiltheater ist ein gruppendynamischer Akt
    der Zusammen-Schau, gleichsam ein demokratischer Reflexionsprozeß.
 Als Schauspiel ist es als konzeptionell-aktionistisches Gesellschaftstheater gedacht,
    wobei die Sätze ihre Handlungsgrundlage: den Text, die Partitur, bilden und zugleich die
    ersten Darsteller sind. Als Gesellschaftstheater spielt es sich gleichermaßen in der
    künstlerischen Fiktion und in der gesellschaftlich-medialen Realität ab. Beide Bereiche
    sind in Wirklichkeit auch sonst voneinander durchdrungen, aber gleichzeitig per Kategorie
    voneinander getrennt. Diese Kategorisierung durchbricht das Textiltheater, indem es
    dezidiert die einzelnen Bereiche in eins setzt (und sich so den tatsächlichen
    Verhältnissen annähert), sodaß alles, was in ihm geschieht, immer auf verschiedenen
    Ebenen vollzogen werden kann. Ganz ist dies natürlich nicht möglich - und das zeigt,
    daß die Kategorisierung durchaus einen guten Sinn hat -, weshalb auf der Ebene der
    Realität Abstriche gemacht werden müssen: rechtliche und ideologische Grenzen müssen
    berücksichtigt werden: das was die Realität zur Realität formt und nicht zum Albtraum
    werden läßt. So werden beispielsweise T-Shirts, auf denen Personen genannt werden und
    sich durch die Aussage des jeweiligen Satzes in ihrer Ehre beeinträchtigt fühlen
    könnten, für prinzipiell unverkäuflich erklärt, was aber nur heißt, daß sie nicht
    einfach per Bestellkarte bestellt werden können, nicht aber, daß nicht etwa politische
    Parteien die Produktion von T-Shirts mit solchen Sätzen in Auftrag geben könnten, um sie
    - wenn sie gleichzeitig die Verantwortung für die Verbreitung übernehmen - im Wahlkampf
    einzusetzen. Außerdem können natürlich keine Sätze verbreitet werden, deren
    Sprachmuster - auch wenn es da und dort und nur anklingen mag: mit solchen Dingen soll man
    nicht leichtfertig umgehen - von zerstörerischer Propaganda geprägt sind und deren
    Verbreitung auch eine solche bedeuten würde, weil die diffizile Methode des Darbietens
    von Sprache dagegen nicht aufkommt. (Jörg Haiders Beschäftigungspolitik-Satz ist
    diesbezüglich der schlimmste der Sammlung). Man kann solche Sätze weder verbreiten noch
    auslassen, wenn man sich nicht der Retusche und der Kollaboration durch Verschweigen
    schuldig machen will (z.B. der Verfassung gegenüber, die ja dem Wesen nach die positive
    Utopie der Gesellschaft ist). T-Shirts mit derartigen und ähnlichgearteten Sätzen werden
    nur in Einzelstücken und zu Demonstrationszwecken erzeugt und müssen im aufklärenden
    und geschützen Bereich der Ausstellungen und Dokumentationen bleiben: der Hoffnung
    dienend, Betroffenheit erzeugen und der Bewahrung des Gedächtnisses nachhelfen zu
    können.
 Solche Einschränkungen werden, wie alles, was im Rahmen des Textiltheaters geschieht, zur
    Quelle seiner weiteren Handlung. Das Textiltheater hat den Anspruch, ein ganz reales
    Theater zu sein: mit dem Grundansatz des Mitspielens, das ja das ursprüngliche Moment und
    Motiv des Theaters war und auch heute ist - man denke nur daran, daß bei einem
    Theaterabend das Publikum mindestens so sorgfältig verkleidet ist wie die
    Bühnendarsteller, und ihre Rolle, ich würde sagen, eifriger, akribischer, natürlich
    routinierter und oft mit mehr Begabung inszenieren als diese - , mit dem daran
    anknüpfenden Ansatz des Verstehens aus dem Spiel heraus und dem alten Vorsatz des
    Theaters: aufklärend zu wirken, inklusive jener abgegriffenen und einzig hoffnungsvollen
    Pose, welche die Kunst seit jeher nirgends so beeindruckend einnimmt wie am Theater: Luft
    reinzulassen in die modrigen Hallen, damit sich der Blick ein wenig klären kann. Weil´s
    im Theater nicht gar so ernst gemeint ist: eine Haltung, die Humor bedeutet. Und Humor
    können wir ebenso brauchen wie Frischluft und Klärung. Gerade jetzt. Wo nicht alles
    anders, aber vieles besser gemacht werden soll.
 
 Politische T-Shirts Mit den Politischen T-Shirts" ist das
    Textiltheater gewissermaßen eröffnet und wird auf unbestimmte Zeit nicht mehr
    geschlossen. Die Sätze sind so ausgewählt, daß sie durch ihre Sprachform die Welt des
    Politischen und die gesellschaftliche und kulturelle Realität, der diese angehört, in
    vielfältiger Weise ausdrücken (die Auswahl ist also mehr literarisch als politisch). Sie spiegeln teils Kämpfe, Skandale, kennzeichnende Ereignisse der jüngeren
    Vergangenheit wider (die dadurch, daß sie nur schwach anklingen, daß die Zusammenhänge
    ausgespart bleiben - durch ihre Abwesenheit also - oft eine intensivere Präsenz und
    zugleich einen größeren Zusammenhang erhalten, als wenn sie durch Genauigkeit beschworen
    würden) und haben gewissermaßen auch Psychogrammcharakter für die jeweiligen
    PolitikerInnen, ihre politischen Gruppierungen oder für eine allgemeingesellschaftliche
    Befindlichkeit. Momente des Farcehaften, des Lapsus, des Unfreiwilligen, der persönlichen
    Polemik, des Privaten als Offizielles, des Inoffiziellen, des Humors, der Sprach- und
    Denkfiguren, und nicht zuletzt des Zitierens (denn natürlich zitieren auch
    PolitikerInnen) - was ja alles im Politischen so sprechend ist - erhalten eine besondere
    Rolle. Viele der Sätze sind - ich denke, das werden auch andere so empfinden - l´art
    pour l´art.
 Die Politischen T-Shirts werden ab der Zeit des diesjährigen Nationalratswahlkampfs in
    Umlauf gebracht und sind als ergänzendes Gegenstück zu den gezielten Botschaften der
    politischen Werbung gedacht.
 Sisyphus
    (Autorenverlag)Gind--Art: Politische
    T-Shirts
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